Beispiel: Berechnung des Massen­träg­heits­moments

Auf dieser Seite findest du ein Bei­spiel zur Be­rech­nung des Massen­träg­heits­moments einer Riemen­scheibe, wobei auch der Satz von Steiner ver­wendet werden muss.


All jenen, die nur an der Berechnung der Massen­trägheits­momente von ein­fachen Körpern Inter­esse haben, ist der Besuch einer der beiden fol­genden Unter­seiten zu em­pfehlen:

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Aufgabe 1: Massenträg­heits­moment einer Riemen­scheibe

Angabe

Es ist das Massenträgheits­moment einer Riemen­scheibe bezüg­lich ihrer Rotations­achse zu be­rechnen. Die Scheibe hat drei Löcher und zusätz­lich auf jeder Seite je drei 10 mm starke Rippen. Die weiteren Ab­messungen sind der neben­stehenden Zeichnung zu ent­nehmen. In der oberen Hälfte wird durch eines der Löcher geschnitten, während es sich in der unteren Hälfte um einen Schnitt durch zwei Rippen han­delt. Die drei Löcher haben also laut Zeichnung einen Durch­messer von 70 mm. Bei den sechs Rippen handelt es sich um Quader mit der Dimen­sion 20x10x123, da (340 – 74 – 10*2)/2 = 123 ist.

Die folgende Ab­bildung zeigt diese Scheibe in 3D:
 

Riemenscheibe 3D
Riemenscheibe 3D
 
Zeichnung der Riemenscheibe mit den Maßen
Zeichnung mit den benötigten Maßen

Aufteilung in 5 Teilkörper

Zunächst teilt man die Riemen­scheibe in fünf Teil­körper auf:

  • 1: Nabe
  • 2: Scheibe
  • 3: Kranz
  • 4: Rippe (3x je Seite, also ins­gesamt 6x)
  • 5: Loch (3x)


Bei der Nabe, der Scheibe und dem Kranz handelt es sich um Hohl­zylinder. Die Rippen sind Quader und die Löcher ein­fache Zylinder.
 

Aufteilung der Riemenscheibe in Teilkörper zur Berechnung des Massenträgheitsmoments
Aufteilung in fünf Teilkörper

Benötigte Formeln

Die Formeln zur Berechnung der Massen­träg­heits­momente der Teil­körper findet man auf einer eigenen Unter­seite. Die benötigten Formeln bezüg­lich der y-Achse (= Rotations­achse) werden hier noch­mals ange­geben. Bei der Formel für den Quader wird a statt h ver­wendet.

Vollzylinder

$$J_y=\frac{m \cdot r^2}{2}$$

Hohlzylinder

$$J_y=\frac{m \cdot (R^2+r^2)}{2}$$

Quader

$$J_y=\frac{m \cdot (a^2+b^2)}{12}$$

Wie man sieht, benötigt man zu­nächst die Massen der 5 Teil­körper. Die Masse m wird mit folgender Formel berechnet:

$$m=\rho \cdot V$$


Die Dichte ρ von Stahl beträgt ca. 7860 kg/m². Bei allen fünf Körpern handelt es sich um Quader, wobei es sich bei der Grund­fläche um einen Kreis, Kreis­ringe und ein Recht­eck handelt.


Das Volumen V eines Quaders ist die Grund­fläche G multi­pliziert mit der Höhe h:

$$V=G \cdot h$$


Die Grund­flächen werden dabei wie folgt berechnet:

Grundfläche eines Kreisrings

$$G_{Kreisring}=(R^2-r^2) \cdot \pi$$

Grundfläche eines Kreises

$$G_{Kreis}=R^2 \cdot \pi$$

Grundfläche eines Rechtecks

$$G_{Rechteck}=a \cdot b$$

Berechnung von Volumen und Masse der Teilkörper

Mit den obigen Formeln können nun die Volumina und die Massen der Teil­körper be­rechnet werden. Es ist dabei zu beachten, dass die Maße in mm ange­geben sind und daher die Volumen mit 10-9 multi­pliziert werden müssen.


Volumen und Masse der Nabe (Teil 1, Grund­fläche ist ein Kreis­ring):

$$V_1=\left[\left(\frac{74}{2}\right)^2-\left(\frac{50}{2}\right)^2\right] \cdot \pi \cdot 60=140240.7 mm^3$$

$$m=\rho \cdot V \Rightarrow m_1=7860 \cdot 140240.7 \cdot 10^{-9}=1.102kg$$


Volumen und Masse der Scheibe (Teil 2, Grund­fläche ist ein Kreis­ring):

$$V_2=\left[\left(\frac{320}{2}\right)^2-\left(\frac{74}{2}\right)^2\right] \cdot \pi \cdot 15=1141859.0 mm^3$$

$$m_2=7860 \cdot 1141859.0 \cdot 10^{-9}=8.975kg$$


Volumen und Masse des Kranzes (Teil 3, Grund­fläche ist ein Kreis­ring):

$$V_3=\left[\left(\frac{340}{2}\right)^2-\left(\frac{320}{2}\right)^2\right] \cdot \pi \cdot 70=725707.9 mm^3$$

$$m_3=7860 \cdot 725707.9 \cdot 10^{-9}=5.704kg$$


Volumen und Masse einer Rippe (Teil 4, Grund­fläche ist ein Recht­eck):

$$V_4=10 \cdot 20 \cdot 123=24600.0 mm^3$$

$$m_4=7860 \cdot 24600.0 \cdot 10^{-9}=0.193kg$$


Volumen und Masse eines Loches (Teil 5, Grund­fläche ist ein Kreis):

$$V_5=\left(\frac{70}{2}\right)^2 \cdot \pi \cdot 15=57726.8mm^3$$

$$m_5=7860 \cdot 57726.8 \cdot 10^{-9}=0.454kg$$

Berechnung der ein­zelnen Massen­träg­heits­momente

Jetzt ist es möglich, die Massen­träg­heits­momente zu berechnen. Die Radien und die Längen sind in m umzu­rechnen und daher die je­weiligen Zahlen durch 1000 zu divi­dieren.

Massenträgheits­moment der Nabe (Teil 1, Hohl­zylinder):

$$J_y=\frac{m \cdot (R^2+r^2)}{2} \Rightarrow J_1=\frac{1.102 \cdot \left[\left(\frac {74}{2 \cdot 1000}\right)^2+\left(\frac {50}{2 \cdot 1000}\right)^2\right]}{2}$$

$$J_1=0.001099 kg \cdot m^2$$


Massenträgheits­moment der Scheibe (Teil 2, Hohl­zylinder):

$$J_y=\frac{m \cdot (R^2+r^2)}{2} \Rightarrow J_2=\frac{8.975 \cdot \left[\left(\frac {320}{2 \cdot 1000}\right)^2+\left(\frac {74}{2 \cdot 1000}\right)^2\right]}{2}$$

$$J_2=0.121023 kg \cdot m^2$$


Massenträgheits­moment des Kranzes (Teil 3, Hohl­zylinder):

$$J_y=\frac{m \cdot (R^2+r^2)}{2} \Rightarrow J_3=\frac{5.704 \cdot \left[\left(\frac {340}{2 \cdot 1000}\right)^2+\left(\frac {320}{2 \cdot 1000}\right)^2\right]}{2}$$

$$J_3= 0.155434kg \cdot m^2$$


Massenträgheits­moment einer Rippe (Teil 4, Quader):

$$J_y=\frac{m \cdot (a^2+b^2)}{12} \Rightarrow J_4=\frac{0.193 \cdot \left[\left(\frac{10}{1000}\right)^2+\left(\frac{123}{1000}\right)^2 \right]}{12}$$

$$J_4=0.000245 kg \cdot m^2$$


Massenträgheits­moment eines Loches (Teil 5, Voll­zylinder):

$$J_y=\frac{m \cdot r^2}{2} \Rightarrow J_5=\frac{0.454 \cdot \left (\frac {70}{2 \cdot 1000} \right)^2}{2}=0.000278 kg \cdot m^2$$

Anwendung des Satz von Steiner

Die Schwer­punkte von Nabe, Scheibe und Kranz liegen alle auf der Rotations­achse und können daher ein­fach addiert werden. Die Schwer­punkte von den drei Löchern und von den sechs Rippen be­sitzen jedoch den Ab­stand d.4 bzw. d.5 zu dieser Rotations­achse, siehe Abbildung. Daher muss der Satz von Steiner ange­wandt werden, weil ja das Massen­träg­heits­moment bezüg­lich dieser Achse be­rechnet werden soll.

Der Satz von Steiner lautet all­gemein (weitere Er­klärungen findet man auf einer eigenen Formel­seite):

$$J_B=J+m \cdot d^2$$

 
Riemenscheibe mit Abständen


Somit können die Träg­heits­momente bezüg­lich der Rotations­achse von einer Rippe (Teil 4) und von einem Loch (Teil 5) be­rechnet werden:

$$J_{B.4} = J_4 + m \cdot d_4^2 \Rightarrow J_{B.4}=0.000245+0.193 \cdot \left(\frac {123}{2 \cdot 1000}+\frac {74}{2 \cdot 1000} \right)^2$$

$$J_{B.4} = 0.00212 kg \cdot m^2$$

$$J_{B.5} = J_5 + m \cdot d_5^2 \Rightarrow J_{B.5}=0.000278+0.454 \cdot \left(\frac {340}{2 \cdot 1000}-\frac {10+60}{1000}\right)^2$$

$$J_{B.5} = 0.00482 kg \cdot m^2$$

Berechnung der Massen­träg­heits­momente mit meinem Rechner

Die einzelnen Massen­träg­heits­momente kann man auch ganz einfach und schnell mit meinem Rechner ermitteln. Die folgende Ab­bildung zeigt einen Screen­shot des ausge­füllten Träg­heits­moment-Rechners für ein Loch (Teil 5).

Um den Steiner­anteil zu berück­sichtigen, trägt man für den Abstand dy = 100 mm ein, da 340/2-10-60 = 100 ist. Man er­hält natür­lich das­selbe Er­gebnis wie bei der Be­rechnung per Hand: Jy = JB.5 = 0.004815 kg*m2.
 

Screenshot des ausgefüllten Massenträgheitsmoment-Rechners für ein Loch (Teil 5)
Screenshot des ausgefüllten Massen­träg­heits­moment-Rechners für ein Loch (Teil 5)

Gesamtes Massenträg­heits­moment bezüg­lich der Rotations­achse

Nun müssen nur noch alle Massen­träg­heits­momente addiert bzw. sub­trahiert (Löcher) werden. Achtung: Die Rippen und die Löcher sind mehr­fach vor­handen!

$$J_{gesamt}=J_1+J_2+J_3+6 \cdot J_{B.4}-3 \cdot J_{B.5}$$

$$J_{gesamt}=0.001099+0.121023+0.155434+6 \cdot 0.00212-3 \cdot 0.00482$$

$$J_{gesamt}=0.27582 kg \cdot m^2$$

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Seite erstellt am 14.03.2021. Zuletzt geändert am 08.11.2021.