Flächenträgheitsmoment & Satz von Steiner

Hier finden Sie neben der Theorie auch die Her­leitung der Formeln zur Berechnung des Flächen­trägheits­moments für einen Rechteck-Quer­schnitt und für ein I-Profil. Bei einer Her­leitung des Flächen­trägheits­moments eines unsymmetrischen Quer­schnitts wird der Satz von Steiner verwendet.


All jenen, die nur an der Berechnung des Flächen­trägheits­moments von ver­schiedenen Profilen interessiert sind, ist eine der beiden folgenden Unterseiten zu empfehlen:

Inhaltsverzeichnis

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Einführung

Die übliche Einheit für das Flächen­trägheits­moment I ist cm4 oder mm4, es kann stets nur positive Werte annehmen. Eine alternative Bezeichnung dafür ist Flächen­moment 2. Grades.


Das Flächen­trägheits­moment wird für viele Anwendungen in der Mechanik verwendet. Man benötigt es zum Beispiel zur Berechnung des Widerstands­moments und zur Untersuchung der Knicksicherheit von Stäben.

Formeln zur Berechnung des Flächenträgheitsmoments

Die Flächenträgheits­momente Iy und Iz bezüglich der y- bzw. bezüglich der z-Achse sind wie folgt definiert:

$$I_y=\int_A z^2dA$$

$$I_z=\int_A y^2dA$$

A Fläche
y, z Abstände

Beispiel 1: Herleitung der Flächen­trägheits­momente für ein Recht­eck

Damit man obige Formeln besser verstehen kann, erfolgt in dieser Aufgabe die Berechnung des Flächen­trägheits­moments eines Rechteck­querschnitts bezüglich der y-Achse. Der Flächen­inhalt der mit dA bezeichneten Fläche beträgt:

$$dA = B · dz$$

 
Rechteck-Querschnitt

Nun benötigt man die Formel zur Berechnung des Flächen­trägheits­moments Iy bezüglich der y-Achse. Die Integrations­grenzen sind -H/2 bzw. +H/2, mit Einsetzen für dA = B · dz und Kürzen erhält man das gesuchte Flächen­trägheits­moment:

$$I_y=\int_A z^2 dA=\int_{-\frac{H}{2}}^{\frac{H}{2}} (z^2·B)dz=\frac{1}{3}·B·\left[z^3\right]\big /_{-\frac{H}{2}}^{\frac{H}{2}}=\frac{1}{3}·B·\left[\left(\frac{H}{2}\right)^3-\left(-\frac{H}{2}\right)^3\right]$$

$$I_y=\frac{1}{3}·B·\left[\frac{H^3}{8}-\left(-\frac{H^3}{8}\right)\right]=\frac{1}{3}·B·\frac{2·H^3}{8}=\frac{B·H^3}{12}$$


Weitere Formeln wichtiger Flächen­trägheits­momente findet man in meiner Formelsammlung!

Flächenträgheitsmomente symmetrischer Flächen

Wenn die Schwerpunkte der Teil­flächen und der Gesamt­schwerpunkt auf einer Linie liegen, die zugleich meist die Symmetrie­linie des Quer­schnitts ist, kann man die einzelnen Flächen­trägheits­momente addieren bzw. subtrahieren. Auf diese Weise können viele Flächen­trägheits­momente komplexerer Quer­schnitte sehr einfach berechnet werden.

Beispiel 2: Herleitung der Flächen­trägheits­momente eines I-Profils

Das rechte Bild zeigt ein I-Profil, das um die beiden Koordinaten­achsen symmetrisch ist.


Aufgabe: Es sollen die Flächen­trägheits­momente

  1. bezüglich der y- und
  2. bezüglich der z-Achse

hergeleitet werden.
 

I-Profil

1) Herleitung des Flächen­trägheits­moments vom I-Profil bezüglich der y-Achse

Alle Schwerpunkte (gekennzeichnet durch Kreise) der Teil­flächen liegen auf der y-Achse. Somit kann das Gesamt­flächen­trägheits­moment durch Abzug der Teilflächen­trägheits­momente berechnet werden:

Teilflächenträgheitsmomente bezüglich y-Achse


Es werden zunächst folgende Zusammen­hänge definiert:

$$b_3 = B – b \qquad h_4 = H – 2 · h$$


Mit der in Beispiel 1 hergeleiteten Formel werden anschließend die Flächen­trägheits­momente der drei Teil­flächen berechnet:

$$I_{y.1}=\frac{B · H^3}{12} \qquad I_{y.2}=I_{y.3}=\frac{(B-b) · (H-2 · h)^3}{2 · 12}=\frac{b_3 · h_4^3}{2 · 12}$$


Das Flächen­trägheits­moment des I-Trägers bezüglich der y-Achse lautet daher:

$$I_y=I_{y.1}-(I_{y.2}+I_{y.3})=I_{y.1}-2·I_{y.2}=\frac{B·H^3}{12}-2·\frac{b_3·h_4^3}{2·12}=\frac{B·H^3-b_3·h_4^3}{12}$$

2) Herleitung des Flächen­trägheits­moments vom I-Profil bezüglich der z-Achse

Auch hier liegen alle Schwerpunkte (gekennzeichnet durch Kreise) der Teilflächen auf einer gemeinsamen Linie, diesmal auf der z-Achse. Das Gesamt­flächen­trägheits­moment wird durch Addition der Teilflächen­trägheits­momente berechnet:

Teilflächenträgheitsmomente bezüglich z-Achse
 
i
-profil_2

Es wird zuerst folgender Zusammenhang definiert:

$$h_4 = H – 2 · h$$


Nun werden mit der in Beispiel 1 hergeleiteten Formel die Flächen­trägheits­momente der einzelnen Teilflächen berechnet, wobei jedoch h und B zu vertauschen sind:

$$I_{z.1}=I_{z.3}=\frac{h·B^3}{12} \qquad I_{z.2}=\frac{(H-2·h)·b^3}{12}=\frac{h_4·b^3}{12}$$


Als Ergebnis erhält man durch Addition der drei Teil­flächen das Flächen­trägheits­moment bezüglich der z-Achse:

$$I_z=I_{z.1}+I_{z.2}+I_{z.3}=2·I_{z.1}+I_{z.2}=2·\frac{h·B^3}{12}+\frac{h_4·b^3}{12}=\frac{2·h·B^3+h_4·b^3}{12}$$


Die in diesem Beispiel berechneten Flächen­trägheits­momente bezüglich der y- bzw. bezüglich der z-Achse stimmen mit den Formeln für ein I-Profil überein.

Flächenträgheits­momente un­sym­metrischer Flächen – Satz von Steiner

Falls die Querschnitts­fläche unsymmetrisch ist, wird der Satz von Steiner benötigt. Das Flächen­trägheits­moment I der Gesamt­fläche bezüglich einer gewählten Achse ist dann wie folgt zu berechnen, wobei die yi– bzw. zi-Achsen stets durch den Schwer­punkt der jeweiligen Teilfläche verlaufen müssen:

$$I=\sum(I_i+A_i·l_i^2)=I_1+A_1·l_1^2+I_2+A_2·l_2^2+…$$

Ai Flächeninhalt der Teilfläche i
li Abstand zwischen den parallelen Achsen y und yi bzw. z und zi
Ii Flächenträgheitsmoment der Teilfläche i bezüglich der yi– bzw. zi-Achse


Ist die Lage des Gesamtschwer­punkts nicht bekannt, muss sie zunächst berechnet werden, siehe Seite Schwerpunkt von Flächen.

Beispiel 3: Flächen­träg­heits­moment eines I-Profils mit Satz von Steiner

Es soll das Flächen­trägheits­moment bezüglich der y-Achse wie in Beispiel 2 berechnet werden, diesmal jedoch mit dem Satz von Steiner. Die Kreise in der Skizze bezeichnen wieder die Schwer­punkte der Teil­flächen. Die beiden Teil­flächen A1 und A3 sind aufgrund der Symmetrie gleich groß.
 

I-profil satz von steiner

Lösung der Aufgabe:

Unter Verwendung des Satzes von Steiner kann das gesuchte Flächen­trägheits­moment berechnet werden:

$$I=\sum(I_i+A_i·l_i^2)=I_{y.1}+A_1·l_1^2+I_{y.2}+A_2·l_2^2+I_{y.3}+A_3·l_3^2$$


Zunächst müssen die einzelnen Komponenten ermittelt werden. Mit der in Beispiel 1 hergeleiteten Formel werden die Flächen­trägheits­momente bestimmt:

$$I_{y.1}=I_{y.3}=\frac{B·h^3}{12} \qquad I_{y.2}=\frac{b·(H-2·h)^3}{12}$$


Die drei Flächen lauten:

$$A_1 = B·h \qquad A_2 = b·(H – 2·h) \qquad H_3 = B·h$$


Nun kann das Gesamt­flächen­trägheits­moment berechnet werden. Da die Flächen A1 und A3 ident sind, vereinfacht sich der Satz von Steiner etwas:

$$I_y=2·[I_{y.1}+A_1·l_1^2]+I_{y.2}+A_2·l_2^2=$$

$$I_y=2·\left[\frac{B·h^3}{12}+B·h·l_1^2\right]+\frac{b·(H-2·h)^3}{12}+b·(H-2·h)·l_2^2=$$


Die Länge l2 ist 0, da der Schwerpunkt von Teil­fläche A2 auf der z-Achse liegt. Für die Länge l1 setzt man (H – h) / 2 ein. Zudem werden folgende Zusammen­hänge definiert:

$$h_3 = H – h \qquad h_4 = H – 2 · h$$


Man erhält:

$$I_y=2·\left[\frac{B·h^3}{12}+B·h·\left(\frac{H-h}{2}\right)^2\right]+\frac{b·(H-2·h)^3}{12}=$$

$$I_y=\frac{2·B·h^3+6·B·h·h_3^2+b·h_4^3}{12}$$


Setzt man Zahlen­werte ein, sieht man, dass das Ergebnis mit dem in Beispiel 2 über­einstimmt. Dieses Aufgabe zeigt, dass bei symmetrischen Quer­schnitten besser wie in Beispiel 2 vorzugehen ist.

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Seite erstellt im Jänner 2019. Zuletzt geändert am 09.11.2021.