Berechnung der Auflager­reak­tionen

Auf dieser Seite werden die notwendigen Schritte zur Ermittlung der Auflager­reaktionen eines statisch bestimmten Systems erklärt. Natürlich findet man auch die zur Berechnung benötigten Formeln, also die zwei Kräfte­gleich­gewichts­bedingungen in x- bzw. in y-Richtung und das Momenten­gleich­gewicht.

Zuletzt werden die Auflager­kräfte eines Balkens auf zwei Stützen bestimmt. Auf diesen Balken wirken eine Gleichlast und eine schräge Einzel­last. Dieses Beispiel wird komplett durchge­rechnet.


Links zu weiteren Unterseiten:

  • Balken-Rechner: Mit diesem Rechner können die Auflager­kräfte von einfachen, statisch bestimmt und statisch unbestim­mt gelagerten Trägern ermittelt werden.
  • Formeln, die der Balken­rechner ver­wendet (Berech­nung von Auf­lager­reak­tionen, Winkel & Durch­biegung)
  • Superpositionsprinzip: Berechnung der Auf­lager­reak­tionen mittels Formel­sammlung
Inhaltsverzeichnis

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Auflagerreaktionen ermitteln – notwendige Schritte

Um die Auflagerkräfte bzw. Auflager­momente eines Systems bestimmen zu können, müssen im All­gemeinen folgende Schritte durch­geführt werden:

  • Modellbildung und Fest­legung eines Koordinaten­systems
  • System auftrennen / Körper freimachen
  • Bei Bedarf Kräfte in ihre Komponenten zerlegen und Resultierende R bilden
  • Gleichgewichtsbedingungen auf­stellen
  • Gleichungssystem lösen


Ein paar der obigen Punkte werden im Folgenden näher erklärt.

System auftrennen / Körper freimachen

Um gesuchte Kräfte bzw. Momente – zum Beispiel Auflager­kräfte – berechnen zu können, ist es erforderlich, ein Gesamt­system in Teil­systeme aufzu­trennen. Diesen Vor­gang nennt man auch “Körper frei­machen” oder “Körper frei­schneiden“. Dabei muss man jedes Bauteil eines Gesamt­systems völlig getrennt betrachten, alle benach­barten Teile lässt man weg und ersetzt sie durch Kräfte und Momente.


Grundlegendes

  • Bei ebenen Systemen entstehen an der Trenn­stelle im Allgemeinen eine Kraft in x-Richtung, eine Kraft in y-Richtung und ein Moment. Deren Größe und Orientierung (= Richtungs­sinn) ist vorerst unbekannt, zur Berechnung braucht man die sogenannten Gleich­gewichts­bedingungen.
  • Die sich durch den Schnitt ergebenden Kräfte bzw. Momente sind an beiden Seiten der durch­trennten Körper genau gleich groß, aber entgegen­gesetzt gerichtet (lateinisch “Actio = Reactio”, drittes newtonsches Axiom), da sie beim Zusammen­fügen wieder verschwinden müssen.

Formeln: Gleich­ge­wichts­bedingungen für ebene Probleme

Um die unbekannten Auflager­reaktionen berechnen zu können, braucht man die beiden Kräfte­gleich­gewichts­bedingungen in x- bzw. y-Richtung und das Momenten­gleich­gewicht. Die Formeln für ebene Systeme lauten:


Die Summe aller Kräfte in x-Richtung muss gleich 0 sein (Formel 2.1):

$$\sum F_{i.x}=0$$


Die Summe aller Kräfte in y-Richtung muss gleich 0 sein (Formel 2.2):

$$\sum F_{i.y}=0$$


Die Summe aller Momente um jeden beliebigen Punkt A bezüglich der z-Achse muss gleich 0 sein (Formel 2.3):

$$\sum M_{A.i.z}=0$$

Das Moment Mp einer Einzelkraft F um einen Punkt P berechnet man mit Formel 2.4:

$$M_P = a·F$$

a Normalabstand (= kürzeste Entfernung) des Punktes P von der Wirkungslinie g der Einzelkraft F in m.
F Betrag der Einzelkraft in N.

 

Moment einer Einzelkraft F um einen Punkt P

Es gibt in der Ebene also für jedes (Teil-)System drei Gleichungen, somit können in jedem (Teil-)System maximal drei Unbekannte berechnet werden.


Die gesuchten Auflagerreaktionen (Kräfte bzw. Momente) bekommt man durch Lösen dieses Gleichungs­systems.

Beispiel: Auflagerreaktionen eines Balkens

Angabe

Man betrachte neben­stehende Abbildung eines Balkens, auf den eine Gleich­last q und eine schräge Einzel­kraft F unter einem Winkel α wirken. Das linke Lager A ist ein Fest­lager, Lager B ist als Los­lager ausgeführt.


Zahlenwerte:

a = 1.5 m, l = 2 m, h = 0.75 m, α = 60°
 


Gesucht:

Die Auflagerkräfte in den beiden Lagern A und B

  1. allgemein
  2. wenn gilt: q = 2.5 kN/m, F = 8 kN
  3. wenn gilt: q = 0.5 kN/m, F = 16 kN

Lösung der Aufgabe

Modellbildung und Koordinatensystem

Für diese Aufgabe muss man kein Modell mehr erstellen, da dies schon in der Angabe erledigt wurde. Es gelten unter anderem folgende Idealisierungen:

  • Es wurde ein ebenes Modell gewählt.
  • Die beiden Lager werden wie üblich als reibungsfrei angenommen.
  • Der Körper gilt als starr, das heißt, er verformt sich unter den beiden Kraftein­wirkungen nicht.

Festlegung des Koordinaten­systems:

Die positive x-Achse weist nach rechts, die positive y-Achse zeigt nach oben. Durch die Fest­legung der Richtung von x- und y-Achse ist auch die Richtung der z-Achse bekannt: sie muss zum Betrachter hin­weisen (Rechts­system).
 

Koordinatensystem

Freimachen

Als Erstes macht man den Balken frei. Dazu schneidet man durch die beiden Lager, siehe Skizze.

Festlager A kann Kräfte in x- und in y-Richtung aufnehmen, aber kein Moment, da es reibungsfrei sein soll. Das rechte Los­lager B überträgt nur Kräfte in y-Richtung. Die drei blauen Auflagerkräfte A.x, A.y und B.y sind sogenannte Bedingungs­kräfte, deshalb kennt man ihre Orientierung nicht. Aus diesem Grund können die Pfeil­spitzen in beliebiger Richtung eingezeichnet werden.
 

Freigemachter Balken auf Fest- und Loslager mit Gleichlast und schräge Einzellast,
Freigemachter Balken

Für die weitere Berechnung gilt: A.x = Ax, A.y = Ay und B.y = By

Resultierende R und Komponenten der Kraft F

Die Gleichlast q muss durch die sogenannte Resultierende R ersetzt werden:

$$R = q·l$$


Die Resultierende R wirkt immer in der Mitte der Gleich­last, hier also im Abstand l/2. Die Einzelkraft F greift schräg an, weshalb sie mithilfe der umgeformten Winkel­funktionen in ihre x- und y-Komponente zerlegt wird:

$$F_x= F·cos(α)\qquad F_y = F·sin(α)$$


Kontrolle:

Nimmt man an, dass gilt α = 90°, bekommt man für die beiden Komponenten:

$$F_x = F·cos(90°) = F·0 \Rightarrow F_x = 0$$

$$F_y = F·sin(90°) = F·1 \Rightarrow F_y = F$$


⇒ Wenn F genau senkrecht zum Balken steht, gibt es keine Komponente in x-Richtung, in y-Richtung wirkt dann die gesamte Kraft F.

Gleichgewichtsbedingungen aufstellen & Gleichungssystem lösen

Nun können die drei Gleich­gewichts­bedingungen aufgestellt werden. Jene Kräfte, die in Richtung der positiven Koordinaten­achse zeigen, bekommen ein positives Vor­zeichen, alle anderen Kräfte sind negativ ins jeweilige Kräfte­gleich­gewicht einzusetzen.

Für die x-Richtung bekommt man mit Formel 2.1:

$$\sum F_{i.x}=0=A_x-F_x$$


Durch Umformen obiger Gleichung erhält man sofort die Auflagerkraft Ax:

$$A_x=F_x \Rightarrow A_x =F·cos(\alpha)$$


Für die y-Richtung erhält man mit Hilfe von Formel 2.2 und einsetzen für R bzw. Fy:

$$\sum F_{i.y} = 0 = A_y + B_y – F_y – R \Rightarrow A_y + B_y – F·sin(α) – q·l = 0$$


Diese Gleichung formt man nach Ay um, da By am einfachsten mit dem Momenten­gleich­gewicht berechnet werden kann:

$$A_y = F·sin(α) + q·l – B_y$$


Zuletzt benötigt man noch die Summe der Momente. Es ist im Prinzip egal, um welchen Punkt man das Momenten­gleich­gewicht bildet. Bei ungünstiger Wahl des Bezugs­punktes kann jedoch die Berechnung etwas komplizierter werden.


Mit Formel 2.4 werden die einzelnen Momente berechnet. Das korrekte Vorzeichen ergibt sich mit der sogenannten Rechte-Hand-Regel: Jene Momente, die den Balken um den Punkt A gegen den Uhrzeigersinn verdrehen, bekommen ein positives Vor­zeichen, alle anderen Momente sind negativ.

Die Wirkungs­linien der beiden Auflagerkräfte Ax und Ay gehen durch den Punkt A, deshalb sind die Normal­abstände dieser Kräfte und folglich auch die Momente bezüglich des Punktes A null. Die Summe der Momente um den Punkt A lautet daher: 

$$\sum M_{A.i.z} = 0 = – \frac{R·l}{2} + B_y·a – F_y·l + F_x·h$$


Einsetzen für R, Fx und Fy, umformen nach By und herausheben ergibt:

$$B_y=\frac{F·\left[sin(\alpha)·l-cos(\alpha)·h\right]+\frac{q·l^2}{2}}{a}$$

Einsetzen der Zahlenwerte für 2)

Durch Einsetzen der Zahlenwerte in die obigen Gleichungen erhält man die gesuchten Auflager­kräfte:

$$A_x=F_x=F·cos(\alpha) \Rightarrow A_x=8\nobreakspace kN·cos(60°)$$

$$\Rightarrow A_x=4\nobreakspace kN$$

$$B_y=\frac{F·[sin(\alpha)·l-cos(\alpha)·h]+\frac{q·l^2}{2}}{a}$$

$$B_y=\frac{8\nobreakspace kN·[sin(60°)·2\nobreakspace m-cos(60°)·0.75\nobreakspace m]+\frac{2.5\nobreakspace \frac{kN}{m}·(2\nobreakspace m)^2}{2}}{1.5 \nobreakspace m}$$

$$\Rightarrow B_y=10.571\nobreakspace kN$$

$$A_y=F·sin(\alpha)+q·l-B_y \Rightarrow A_y=8\nobreakspace kN·sin(60°)+2.5\nobreakspace\frac{kN}{m}·2\nobreakspace m-10.571kN$$

$$\Rightarrow A_y=1.357\nobreakspace kN$$

Einsetzen der Zahlenwerte für 3)

$$A_x=16\nobreakspace kN·cos(60°)\Rightarrow A_x=8\nobreakspace kN$$

$$B_y=\frac{16\nobreakspace kN·[sin(60°)·2\nobreakspace m-cos(60°)·0.75\nobreakspace m]+\frac{0.5\nobreakspace \frac{kN}{m}·(2\nobreakspace m)^2}{2}}{1.5\nobreakspace m}\Rightarrow B_y=15.142\nobreakspace kN$$

$$A_y=16\nobreakspace kN·sin(60°)+0.5\nobreakspace\frac{kN}{m}·2\nobreakspace m-15.142\nobreakspace kN\Rightarrow A_y=-0.286\nobreakspace kN$$


Diesmal ist die Auflagerkraft Ay negativ, daher wirkt sie tatsächlich in die entgegen­gesetzte Richtung als angenommen.

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Seite erstellt am 14.05.2019. Zuletzt geändert am 11.11.2021.