This page in English: Buckling of Columns (calculator and formulas)
Hier wird anhand eines allgemeinen Beispiels beschrieben, welche Schritte bzw. Formeln nötig sind, um die Sicherheit gegen Knicken berechnen zu können, wenn die Last und die Querschnittsform bekannt sind. Es sind die vier klassischen Eulerfälle zu berücksichtigen, wobei entweder nach Tetmajer (unelastischer Bereich) oder Euler (Hookescher bzw. elastischer Bereich) gerechnet wird. Benötigte Werte findet man in Tabellen.
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Wie geht man bei der Berechnung gegen Knicken vor?
In den folgenden Abschnitten werden alle benötigten Formeln zur Berechnung dieser Größen angegeben:
- Knicklänge lk
- Knickspannung σK
- Schlankheitsgrad λ
- Grenzschlankheit λg
- Knickdruckkraft FK
- Knicksicherheit S
Die vier Eulerfälle – Faktor β zur Berechnung der Knicklänge lk
Zuerst muss man entscheiden, welcher der vier Eulerfälle vorliegt. Das folgende Bild zeigt die vier Eulerschen Knickfälle, wobei der dazugehörende Faktor β angegeben wird. Die roten Pfeile stellen dabei die Kraft F dar:
- Fall 1: Der Stab ist am Boden fest eingespannt und das obere Ende ist komplett frei beweglich. Für diese Anordnung gilt: β = 2.
- Fall 2: Am unteren Ende befindet sich ein Festlager, oben ein Loslager: β = 1. Das ist der in Praxis am häufigsten vorkommende Fall.
- Fall 3: Am Boden wird der Stab fest eingespannt, während oben ein Loslager verwendet wird. Hier gilt: β = 0.699.
- Fall 4: Auch hier befindet sich unten eine feste Einspannung. Das obere Ende wird hingegen in einem Längsschlitz geführt: β = 0.5.
Die Knicklänge lk wird durch Multiplikation von Faktor β und Stablänge l berechnet. Es gilt also der folgende Zusammenhang:
$$l_k=\beta·l$$
l | Länge des Stabes in mm |
β | Faktor zur Berechnung von lk |
Abhängig von den Lagerungsbedingungen ergeben sich daher unterschiedliche Knicklängen.
Formel für Schlankheitsgrad λ
Zunächst berechnet man sich den Schlankheitsgrad λ, wobei neben den schon bekannten Größen auch die Fläche und das kleinste Flächenträgheitsmoment des Stabes benötigt werden:
$$\lambda=\sqrt{\frac{A}{I_{min}}}·\beta · l= \sqrt{\frac{A}{I_{min}}} · l_k $$
A | Querschnittsfläche des Stabes in mm2 |
Imin | Kleinstes axiales Flächenträgheitsmoment in mm4 |
Der Schlankheitsgrad λ ist eine dimensionslose Größe (korrekt: Größe der Dimension 1) und wird daher nur als Zahlenwert ohne Einheit angegeben.
Formel & Tabelle für Grenzschlankheit
Die Grenzschlankheit λg des verwendeten Werkstoffes kann mit der nächsten Formel bestimmt werden:
$$\lambda_g=\pi · \sqrt{\frac{E}{0.8 · R_{p0.2}}}$$
E | E-Modul in N/mm² |
Rp0.2 | Elastizitätsgrenze/Fließgrenze bzw. Streckgrenze in N/mm² |
Durch Einsetzen der werkstoffspezifischen Werte in die obige Formel erhält man die in der folgenden Tabelle zu findenden Grenzschlankheiten λg für die wichtigsten Werkstoffe. Zusätzlich wird auch die Streckgrenze angegeben:
Werkstoff | Grenzschlankheit λg | Streckgrenze Rp0.2 |
S235 (früher St37) | 105 | 235 |
S355 (früher St52) | 85 | 355 |
Grauguss (EN-GJL-200) | 80* | / |
Fichtenholz | 100* |
* Hinweis:
Besitzt ein Werkstoff keine Streckgrenze, kann die Grenzschlankheit alternativ durch Gleichsetzen der Knickspannungen nach Euler und Tetmajer bestimmt werden (Schneiden von zwei Funktionen).
Diagramm für Knickspannung in Abhängigkeit von λ
Falls der berechnete Schlankheitsgrad λ über der Grenzschlankheit λg liegt, wird nach Euler (Hookescher bzw. elastischer Bereich), andernfalls nach Tetmajer (unelastischer Bereich) gerechnet.
Liegt der Schlankheitsgrad hingegen unter λp, spricht man von quetschen. Es handelt sich dann um kein Stabilitätsproblem, da in diesem Fall die Knickspannung größer als die Streckgrenze ist, der Werkstoff in der Regel (vor allem im Maschinenbau!) aber nicht über die Streckgrenze belastet werden darf. Wie man die Quetschgrenze λp berechnet, findet man etwas weiter unten auf dieser Seite.
Schlankheitsgrad-Knickspannung-Diagramm für S235
Im folgenden Diagramm ist der Zusammenhang zwischen dem Schlankheitsgrad λ und der Knickspannung σK für den Baustahl S235 dargestellt:
Schlankheitsgrad-Knickspannung-Diagramm für S355
Für den Baustahl S355 sieht dieses Diagramm recht ähnlich aus, wobei es in diesem Fall jedoch keinen Streckgrenzen-Bereich gibt, da die Knickspannung σK stets unterhalb der Streckgrenze von 355 N/mm2 liegt:
Formeln für Knickspannung & Knickdruckkraft (Knicklast)
Die Formeln für die Knickspannung σK und für die Knickdruckkraft FK (= Knicklast) lauten:
Streckgrenze
Konstante
0 < λ < λp
$$σ_K > σ_{max} = R_{p0.2}$$
$$F_K > F_{max}=σ_{max}·A$$
Die Knickspannung liegt über der Streckgrenze, somit liegt kein Stabilitätsproblem vor! Es handelt sich hier um quetschen.
Tetmajer (unelastischer Bereich)
Tetmajer-Gerade
λp < λ < λg
$$\sigma_K=a+b·\lambda+c · \lambda^2$$
$$F_K=(a+b·\lambda+c · \lambda^2) · A$$
Euler (elastischer Bereich)
Euler-Hyperbel
λg < λ < λmax = 250
$$\sigma_K=\frac{\pi^2 · E}{\lambda^2}= \frac{\pi^2 · E · I_{min}}{l_k^2 · A} $$
$$F_K= \frac{\pi^2 · E · I_{min}}{l_k^2} $$
λp, λg | Grenzwerte; Formeln zur Berechnung und Tabellen siehe weiter oben bzw. unten! |
λ | Schlankheitsgrad |
σK | Druckspannung, bei der der Stab seitlich ausknickt; in N/mm² |
FK | Kraft, bei der der Stab seitlich ausknickt; in kN |
Rp0.2 | Elastizitätsgrenze bzw. Streckgrenze in N/mm² |
σmax | Üblicherweise maximal zulässige Spannung |
E | E-Modul in N/mm²; passende Werte findet man z. B. in Wikipedia |
lk = β · l | Knicklänge |
β | Faktor aufgrund der Lagerung des Stabes |
l | Länge des Stabes in mm |
Imin | Kleinstes axiales Flächenträgheitsmoment in mm4 |
A | Querschnittsfläche des Stabes in mm² |
a, b, c | Koeffizienten für die Tetmajer-Gleichung |
Achtung:
Im Euler-Bereich knicken bei identer Lagerung und Querschnittsform alle Stähle unter dergleichen Last, da sie denselben E-Modul besitzen!
Tabelle mit Werten für die Koeffizienten der Tetmajergleichung
(negative Vorzeichen von b beachten!)
Werkstoff | Koeffizient a | Koeffizient b | Koeffizient c |
S235 (früher St37) | 310 | -1.14 | 0 |
S355 (früher St52) | 335 | -0.62 | 0 |
Grauguss | 776 | -12.0 | 0.053 |
Fichtenholz | 29.3 | -0.194 | 0 |
Quelle: Wikipedia
Berechnung der Quetschgrenze λp
Im oberen Diagramm für den Stahl S235 ist auch eine Quetschgrenze λp eingezeichnet. Diesen Wert bekommt man, indem man die Knickspannung nach Tetmajer gleich der Streckgrenze Rp0.2 setzt und danach diese Gleichung umformt:
$$\lambda_p=\frac{a-R_{p0.2}}{-b}$$
Das sei hier für den Baustahl S235 gezeigt:
$$R_{p0.2}=a+b · \lambda\Rightarrow235=310-1.14 · \lambda$$
$$\Rightarrow310-235=1.14 · \lambda\Rightarrow\frac{310-235}{1.14}=\lambda$$
$$\Rightarrow\lambda_p=65.79$$
Werkstoff | Grenze λp |
S235 (früher St37) | 65.8 |
S355 (früher St52) | / |
Für den Baustahl S355 existiert keine Quetschgrenze, weil sich die Knickspannung immer unterhalb der Streckgrenze befindet!
Sicherheit gegen Knicken
Zuletzt wird die Knicksicherheit S berechnet:
$$S=\frac{F_K}{F}$$
FK | Kraft, bei der der Stab seitlich ausknickt; in kN |
F | gegebene Kraft in kN |
Es sind immer relativ große Sicherheiten einzuplanen, da die Berechnungen eigentlich nur für einen idealen Stab gelten:
- Der Stab muss homogen sein.
- Die Kraft hat genau in der Stabachse anzugreifen und das im rechten Winkel zum Querschnitt.
- Es dürfen keine anderen Kräfte oder Momente vorhanden sein (zum Beispiel Windlasten).
In welchem Bereich die Sicherheit gegen Knicken liegen sollte, kann man der folgenden Tabelle entnehmen:
Sicherheit | ||
Maschinenbau | Stahlbau | |
Euler | 5 – 10 | 2.5 |
Tetmajer | 3 – 8 | 1.5 |
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Seite erstellt am 10.06.2019. Zuletzt geändert am: